Sehr gut dirigiert vom Komponisten George Benjamin!
Leider sind einige Leute lärmend gegangen, mitten während der Musik!
Interpreten
Orchestre Philharmonique de Radio France
Ross Ramgobin, The Protector
Georgia Jarman, Agnès
Tim Mead, First Angel, The Boy
Victoria Simmonds, Second Angel, Marie
Nicholas Sharratt, Third Angel, John
Philipp Marguerre, Glasharmonika
Romina Lischka, Viola da Gamba
Dan Ayling, Regie
George Benjamin, Dirigent
Programm
George Benjamin
Written on Skin. Oper in drei Teilen (Libretto: Martin Crimp) (2012)
Halbszenische Aufführung in englischer Sprache
Halbszenische Aufführung in englischer Sprache
Ein Engel und eine Frau, die das Herz ihres Liebhabers isst
Konzerthaus.
Begeisterung für die schaurig-schöne Oper „Written on Skin“ mit dem Komponisten George Benjamin am Dirigentenpult.
Adelmus von Otranto: So hieß jener Miniaturenmaler in Umberto Ecos
„Name der Rose“, der sich verbotener fleischlicher Lust hingegeben hatte
und sein Leben bei einem rätselhaften Fenstersturz lassen musste. Sein
Zunftkollege, der mysteriöse Buchillustrator in „Written on Skin“,
bekommt hingegen keinen Namen, sondern heißt in seiner menschlichen
Existenz schlicht „The Boy“ – dabei ist er eigentlich ein Engel. Weil
ihn seine Kunst zu einem solchen macht? Ein reicher Despot („The
Protector“) engagiert ihn, weil er sein Leben und seine Taten zwischen
Buchdeckeln verherrlicht sehen möchte. Prompt gehen seine unterdrückte
Frau Agn`es und der Buchmaler eine Liebesbeziehung ein. Das Ende ist
tödlich. Der Betrogene tötet den Konkurrenten und reicht seiner nichts ahnenden Frau dessen Herz zum Verzehr. Als sie das begreift, stürzt sie sich aus dem Fenster ...
Eine Handlung, die sich per Zeitreise ins Mittelalter zurückbegibt,
zwischen einer brutalen Realität und einer entrückten, übersinnlichen
Ebene vermittelt: Das könnte auch in einer aktuellen Streaming-Serie
auftauchen, in der die zugrunde liegende provenzalische Legende mit
aktuellen Elementen aus Horror, Fantasy und Science-Fiction verquickt
wird. Doch als Oper funktioniert das Ganze vielleicht noch besser: So
dürfen die vielen, teilweise widerstreitenden Anspielungen in ihrer
ganzen Rätselhaftigkeit stehen bleiben, weil die Musik den Zusammenhalt
besorgt.
„Written on Skin“ von Martin Crimp (Libretto) und George Benjamin (Musik) wurde 2012 in Aix-en-Provence in einer Regie
von Katie Mitchell unter großem Jubel der Fachpresse uraufgeführt; im
Jahr darauf machte diese Produktion auch bei den Wiener Festwochen
Station. Ein Programmschwerpunkt zu Benjamins 60. Geburtstag beim
Orchestre Philharmonique de Radio France führte nun zu einem Gastspiel
im Wiener Konzerthaus mit ihm selbst am Dirigentenpult: keine
alltägliche Fügung.
Zum Schluss eine Glasharmonika
Das Werk lohnt sich, in dieser von Regisseur Dan Ayling eingerichteten
halbszenischen Version zumal, denn sie erlaubt noch stärkere
Konzentration auf die 90 kompakten, elektrisierenden, betörenden Minuten
von Benjamins Musik. Das Erzählen steht dabei im Mittelpunkt, auch weil
die Figuren oft von sich selbst in der dritten Person berichten.
Benjamin illuminiert das Geschehen mit
Klängen, als wäre es eine alte Handschrift: immer behutsam und
gesanglich, aber zugleich prägnant, bunt, mit Konturenschärfe und
feinem Pinselstrich – etwa von Harfe, Gambe und in der Schlussszene
surrealer Glasharmonika.
Doch die historischen Anspielungen beschränken sich auf die
instrumentalen Farben und sparen altes Material aus. Das Brutale
scheint von der höheren, tendenziell ungerührten Warte der Engel
betrachtet, die in das Leben von Menschen nur deshalb eingreifen, um
ihre Äonen alte Abscheu vor deren primitiven Verhaltensweisen aufs Neue
bestätigt zu finden. Orchester und Besetzung waren famos: Countertenor
Tim Mead und die Sopranistin Georgia Jarman sangen als tragisches
Liebespaar rein und zart um ihr Leben, Bariton Ross Ramgobin gab dem Protector belkanteskes Profil.
o
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen