Diese Oper hat mich wirklich positiv überrascht. Beim
letzten Mal sind wir in der ersten Pause gegangen. Die Inszenierung war wirklich sehr schön (siehe unten).
Tomáš Netopil machte den Abend sehr kurz. Er dirigierte einen sehr schönen Mozart, diffenziert und stimmig. Großes Lob. Daher hatten es auch die Sänger leicht. Großteils Ensemblemitglieder. Warum für die Elettra Irina Lungu engagiert wurde, erschließt sich mir nicht. Die Damen sangen alle in der selben Liga.
Rachel Frenkel einen sehr ordentlichen Idamante,
Valentina Naforniţa eine sehr liebende Ilia (diesmal nicht so scharf, wie schon gehört),
Irina Lungu hat mir auch gut gefallen, war aber eher schlechter denn besser als die anderen Damen.
Pavel Kolgatin gab einen schön singenden Arbaca.
Carlos Osuna fiel ein wenig ab.
Bernard Richter gefällt mir sehr gut, hat eine Stimme für Mozart!
siehe auch
Manfred A.Schmid
Dirigent
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Tomáš Netopil
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Regie
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Kasper Holten
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Bühne
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Mia Stensgaard
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Kostüme
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Anja Vang Kragh
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Licht
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Jesper Kongshaug
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Bewegungsregie
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Signe Fabricius
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Dramaturgie
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Adrian Mourby
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Idomeneo |
Bernard Richter
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Idamante |
Rachel Frenkel
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Elettra |
Irina Lungu
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Ilia |
Valentina Naforniţa
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Arbace |
Pavel Kolgatin
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Oberpriester Poseidons |
Carlos Osuna
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Stimme des Orakels |
Peter Kellner
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Renate Wagner bei der Premierenkritik:
Die Wiener Staatsoper hat für die erste Premiere der Saison Mozarts
„Idomeneo“ gewählt – mit Ausnahme einiger „Fans“ niemandes
Lieblingsstück (der Stehplatz war nicht einmal im Parterre ausverkauft) –
und verdammt schwer zu realisieren. Wahrscheinlich war das schöne
Barock-Spektakel des Jean-Pierre Ponnelle einst der geradeste Weg – via
Ästhetik zur Opera seria, schöne Menschen singen schön in schönem
Ambiente. Genau das, was heute nicht mehr möglich ist.
Was Damiano Michieletto vor elf Monaten im Theater an der Wien
zeigte, war am anderen Ende der Skala angesiedelt – das blutige,
rücksichtslose Stück vom Krieg, wo im wahrsten Sinn des Wortes der Boden
unter den Füßen wankte und knirschte. In der Staatsoper versuchte nun
der Däne Kasper Holten, obwohl er absolut kein Beschöniger ist,
letztendlich doch einen Mittelweg.
Kasper Holten ist kein Regisseur, der aus Ratlosigkeit in
leere Räume flieht (wie man es etwa in der unzumutbaren „Don
Carlo“-Inszenierung der Staatsoper zu ertragen hat), im Gegenteil, er
denkt in ausdrucksstarken Bildern. Beim „Idomeneo“ sind im ersten und im
dritten Akt beeindruckende optische Gleichnisse zu finden, die man dem
Bühnenbild von
Mia Stensgaard dankt. Das ist ausreichend
abstrakt-entrückt durch ein System aus rahmenartigen Elementen, die sich
immer zu neuen Raumwirkungen heben und senken, wozu oft spiegelartige
Reflexionen kommen, wobei sich das Geschehen „unten“ oben auf der
Bühnendecke verdoppelt.
Gleich zu Beginn erblickt man bei der Ouvertüre Idomeneo „unterwegs“,
der Mann, der von einem Jungen Abschied nimmt. Und durch den
Spiegeleffekt an der Decke sieht man, dass er nun auf einer Landkarte im
Mittelmeer unterwegs ist, zwischen Kreta, Troja, Griechenland, er legt
brutal puppenartige Figuren um – der Mann führt schließlich Krieg – ,
nimmt andere, stellt sie auf seine Insel. Es sind seine Gefangenen.
Gefangene hängen in der Luft
Diese Gefangenen kommen dann, und das ist stupend anzusehen, an
Seilen hängend aus der Luft, singen schon hier ihre Verzweiflung, werden
heruntergelassen: Priamos’ Tochter Ilia ist nun in Kreta, wobei man ein
Wort über die Kostüme verlieren muss: Besonders die beiden zentralen
Damen sind von
Anja Vang Kragh in wunderschöne lange
„Phantasie-Kleider“ gewandet (jenes der Elettra verdeckt die
Schwangerschaft der Sängerin weitgehend), während die Uniformen der
führenden Herren ein wenig an späte Mozart-Zeit und auch das 19.
Jahrhundert erinnern und das Volk in jene Kittel gekleidet ist, die es
wohl durch alle Zeiten und Welten trägt.
Idomeneo und die Toten
Ein wunderbarer optischer Einfall, der für die Regie eine bedeutende
Rolle spielt, begleitet den ganzen Abend, der in dieser Interpretation
auf die „Macht“ als zentrales Problem zugespitzt ist. Wo Macht ist, ist
Krieg (hier der Trojanische), und Idomeneo gehört zu jenen, die ihn
führen und sich über und über mit Blut beflecken. In Mozarts Libretto
ist der König ein bedauernswerter Held, Opfer von zutiefst tragischen
Umständen, ein Spielball grausamer Götter. Hier ist er als Mensch ein
Täter und schuldig wie der Teufel.
Die „Toten“, die folglich metaphorisch um Idomeneo herum sind, werden
hier real und „lebendig“ – wenn er heimkehrt, wenn er von seinen
Ängsten gehetzt wird, schließlich am Ende, wenn man ihn regelrecht
„wegwirft“ und zu ihnen gesellt. Optisch geradezu faszinierend wanken
total blutverkrustete Gestalten mit verhüllten Gesichtern herum, die in
einer höchst konzentrierten Bewegungsregie (
Signe Fabricius) geführt werden, wobei man auch immer auf den Spiegeleffekt achtet, ohne dass dieser überbeansprucht wird.
Der erste Akt mit den „hängenden“ Gefangenen, Idomeneos dramatischer
Rettung und Heimkehr findet zur Musik ausreichend dramatische Umsetzung.
Der zweite Akt, der als wirklich erregendes Moment nur Idomeneos
Erinnerung an sein Versinken im Meer bietet (eine große Koloraturarie),
ist im übrigen die klassische Seria, die Aneinanderreihung großer Arien.
Auch gibt es hier kein „Seemonster“ irgendeiner Art, weil Holten
Idomeneo selbst als das Monster sieht (kurz wird groß sein Gesicht im
Hintergrund aufgeblendet): Vielleicht ist das der einzige nicht gänzlich
schlüssige Einfall – dass Idomeneo seinen Sohn, den er Poseidon opfern
muss, retten will, steht außer Frage. Man kann sich also nicht mit der
Idee befreunden, dass er dies selbst zerstören würde…
In diesem zweiten Akt hat Regisseur Kasper Holten also den Ablauf der
Arien nicht gestört, aber auch nicht durch szenische Belebung geholfen,
und wer von den Sängerinnen nicht gefesselt wurde (und vom Dirigenten
möglicherweise auch nicht), für den mögen sich hier keine göttlichen
Längen, sondern ehe die Langeweile einstellen.
Aber man sollte keinesfalls das Handtuch werfen und sich in der
zweiten Pause entfernen (was doch einigermaßen geschah), denn der dritte
Akt bietet dann wieder an „Inszenierung“, was man sich wünschen kann,
abgesehen von einer faszinierenden Königsstatue schon als bröckelnder
Popanz, die später ganz zerbricht.
Die Szene, wo Idomeneo bereit ist, seinen Sohn zu opfern, und dieser
zur Hinrichtung vorbereitet wird, ist so packend wie beklemmend, und das
genau durchgearbeitete Finale, wo das Volk Idomeneo nicht nur die
Gefolgschaft verweigert, sondern ihn deutlich ablehnt, ist brillant
gestaltet. Ohne größere Wirkung geht allerdings die finale Arie der
Elettra vorbei. Doch für die allerletzte Schlusswendung, die hier gar
nicht „happy“ ausfällt, hat sich der Regisseur im „Machtspiel“ einiges
einfallen lassen – nämlich eine Art von „Demokratisierung“, die auch
nicht gerade erfreulich ausfällt, wenn man richtig interpretiert, was
man sieht.
Denn die Stimme des Orakels, die der Idee von Idamantes Hinrichtung
Einhalt gebietet, kommt nicht von irgendwo, sondern gehört einem Mann
aus dem Volke, der hervortritt. Und sobald Idamante als neuer Herrscher
eingesetzt ist, wobei der machtbesessene Idomeneo immer noch glaubt,
irgendetwas befehlen und bestimmen zu können, kommen zwei Männer, die –
zum Entsetzen des Sohnes – den früheren König einfach packen und in eine
Grube werfen, wo sich schon Elettra und die blutigen Toten befinden…
Geradezu hilflos stehen Idamante und Ilia als neues Herrscherpaar da.
Das Rad der Macht hat sich weitergedreht, aber das Thema schmeckt nach
wie vor bitter…