Mittwoch, 20. Februar 2019

Idomeneo, 19. Februar 2019, Staatsoper

Diese Oper hat mich wirklich positiv überrascht. Beim letzten Mal sind wir in der ersten Pause gegangen. Die Inszenierung war wirklich sehr schön (siehe unten).
Tomáš Netopil machte den Abend sehr kurz. Er dirigierte einen sehr schönen Mozart, diffenziert und stimmig. Großes Lob. Daher hatten es auch die Sänger leicht. Großteils Ensemblemitglieder. Warum für die Elettra Irina Lungu engagiert wurde, erschließt sich mir nicht. Die Damen sangen alle in der selben Liga. Rachel Frenkel einen sehr ordentlichen Idamante, Valentina Naforniţa eine sehr liebende Ilia (diesmal nicht so scharf, wie schon gehört), Irina Lungu hat mir auch gut gefallen, war aber eher schlechter denn besser als die anderen Damen.
Pavel Kolgatin gab einen schön singenden Arbaca. Carlos Osuna fiel ein wenig ab.
Bernard Richter gefällt mir sehr gut, hat eine Stimme für Mozart!



siehe auch
 Manfred A.Schmid


Dirigent Tomáš Netopil
Regie Kasper Holten
Bühne Mia Stensgaard
Kostüme Anja Vang Kragh
Licht Jesper Kongshaug
Bewegungsregie Signe Fabricius
Dramaturgie Adrian Mourby
Idomeneo Bernard Richter
Idamante Rachel Frenkel
Elettra Irina Lungu
Ilia Valentina Naforniţa
Arbace Pavel Kolgatin
Oberpriester Poseidons Carlos Osuna
Stimme des Orakels Peter Kellner

Renate Wagner bei der Premierenkritik:

Die Wiener Staatsoper hat für die erste Premiere der Saison Mozarts „Idomeneo“ gewählt – mit Ausnahme einiger „Fans“ niemandes Lieblingsstück (der Stehplatz war nicht einmal im Parterre ausverkauft) –  und verdammt schwer zu realisieren. Wahrscheinlich war das schöne Barock-Spektakel des Jean-Pierre Ponnelle einst der geradeste Weg – via Ästhetik zur Opera seria, schöne Menschen singen schön in schönem Ambiente. Genau das, was heute nicht mehr möglich ist.
Was Damiano Michieletto vor elf Monaten im Theater an der Wien zeigte, war am anderen Ende der Skala angesiedelt – das blutige, rücksichtslose Stück vom Krieg, wo im wahrsten Sinn des Wortes der Boden unter den Füßen wankte und knirschte. In der Staatsoper versuchte nun der Däne Kasper Holten, obwohl er absolut kein Beschöniger ist, letztendlich doch einen Mittelweg.
Kasper Holten ist kein Regisseur, der aus Ratlosigkeit in leere Räume flieht (wie man es etwa in der unzumutbaren „Don Carlo“-Inszenierung der Staatsoper zu ertragen hat), im Gegenteil, er denkt in ausdrucksstarken Bildern. Beim „Idomeneo“ sind im ersten und im dritten Akt beeindruckende optische Gleichnisse zu finden, die man dem Bühnenbild von Mia Stensgaard dankt. Das ist ausreichend abstrakt-entrückt durch ein System aus rahmenartigen Elementen, die sich immer zu neuen Raumwirkungen heben und senken, wozu oft spiegelartige Reflexionen kommen, wobei sich das Geschehen „unten“ oben auf der Bühnendecke verdoppelt.
Gleich zu Beginn erblickt man bei der Ouvertüre Idomeneo „unterwegs“, der Mann, der von einem Jungen Abschied nimmt. Und durch den Spiegeleffekt an der Decke sieht man, dass er nun auf einer Landkarte im Mittelmeer unterwegs ist, zwischen Kreta, Troja, Griechenland, er legt brutal puppenartige Figuren um – der Mann führt schließlich Krieg – , nimmt andere, stellt sie auf seine Insel. Es sind seine Gefangenen.

Gefangene hängen in der Luft
Diese Gefangenen kommen dann, und das ist stupend anzusehen, an Seilen hängend aus der Luft, singen schon hier ihre Verzweiflung, werden heruntergelassen: Priamos’ Tochter Ilia ist nun in Kreta, wobei man ein Wort über die Kostüme verlieren muss: Besonders die beiden zentralen Damen sind von Anja Vang Kragh in wunderschöne lange „Phantasie-Kleider“ gewandet (jenes der Elettra verdeckt die Schwangerschaft der Sängerin weitgehend), während die Uniformen der führenden Herren ein wenig an späte Mozart-Zeit und auch das 19. Jahrhundert erinnern und das Volk in jene Kittel gekleidet ist, die es wohl durch alle Zeiten und Welten trägt.
 Idomeneo und die Toten
Ein wunderbarer optischer Einfall, der für die Regie eine bedeutende Rolle spielt, begleitet den ganzen Abend, der in dieser Interpretation auf die „Macht“ als zentrales Problem zugespitzt ist. Wo Macht ist, ist Krieg (hier der Trojanische), und Idomeneo gehört zu jenen, die ihn führen  und sich über und über mit Blut beflecken. In Mozarts Libretto ist der König ein bedauernswerter Held, Opfer von zutiefst tragischen Umständen, ein Spielball grausamer Götter. Hier ist er als Mensch ein Täter und schuldig wie der Teufel.
Die „Toten“, die folglich metaphorisch um Idomeneo herum sind, werden hier real und „lebendig“ – wenn er heimkehrt, wenn er von seinen Ängsten gehetzt wird, schließlich am Ende, wenn man ihn regelrecht „wegwirft“ und zu ihnen gesellt. Optisch geradezu faszinierend wanken total blutverkrustete Gestalten mit verhüllten Gesichtern herum, die in einer höchst konzentrierten Bewegungsregie (Signe Fabricius) geführt werden, wobei man auch immer auf den Spiegeleffekt achtet, ohne dass dieser überbeansprucht wird.
Der erste Akt mit den „hängenden“ Gefangenen, Idomeneos dramatischer Rettung und Heimkehr findet zur Musik ausreichend dramatische Umsetzung. Der zweite Akt, der als wirklich erregendes Moment nur Idomeneos Erinnerung an sein Versinken im Meer bietet (eine große Koloraturarie), ist im übrigen die klassische Seria, die Aneinanderreihung großer Arien. Auch gibt es hier kein „Seemonster“ irgendeiner Art, weil Holten Idomeneo selbst als das Monster sieht (kurz wird groß sein Gesicht im Hintergrund aufgeblendet): Vielleicht ist das der einzige nicht gänzlich schlüssige Einfall – dass Idomeneo seinen Sohn, den er Poseidon opfern muss, retten will, steht außer Frage. Man kann sich also nicht mit der Idee befreunden, dass er dies selbst zerstören würde…
In diesem zweiten Akt hat Regisseur Kasper Holten also den Ablauf der Arien nicht gestört, aber auch nicht durch szenische Belebung geholfen, und wer von den Sängerinnen nicht gefesselt wurde (und vom Dirigenten möglicherweise auch nicht), für den mögen sich hier keine göttlichen Längen, sondern ehe die Langeweile einstellen.
Aber man sollte keinesfalls das Handtuch werfen und sich in der zweiten Pause entfernen (was doch einigermaßen geschah), denn der dritte Akt bietet dann wieder an „Inszenierung“, was man sich wünschen kann, abgesehen von einer faszinierenden Königsstatue schon als bröckelnder Popanz, die später ganz zerbricht.
Die Szene, wo Idomeneo bereit ist, seinen Sohn zu opfern, und dieser zur Hinrichtung vorbereitet wird, ist so packend wie beklemmend, und das genau durchgearbeitete Finale, wo das Volk Idomeneo nicht nur die Gefolgschaft verweigert, sondern ihn deutlich ablehnt, ist brillant gestaltet. Ohne größere Wirkung geht allerdings die finale Arie der Elettra vorbei. Doch für die allerletzte Schlusswendung, die hier gar nicht „happy“ ausfällt, hat sich der Regisseur im „Machtspiel“ einiges einfallen lassen – nämlich eine Art von „Demokratisierung“, die auch nicht gerade erfreulich ausfällt, wenn man richtig interpretiert, was man sieht.
Denn die Stimme des Orakels, die der Idee von Idamantes Hinrichtung Einhalt gebietet, kommt nicht von irgendwo, sondern gehört einem Mann aus dem Volke, der hervortritt. Und sobald Idamante als neuer Herrscher eingesetzt ist, wobei der machtbesessene Idomeneo immer noch glaubt, irgendetwas befehlen und bestimmen zu können, kommen zwei Männer, die – zum Entsetzen des Sohnes – den früheren König einfach packen und in eine Grube werfen, wo sich schon Elettra und die blutigen Toten befinden… Geradezu hilflos stehen Idamante und Ilia als neues Herrscherpaar da. Das Rad der Macht hat sich weitergedreht, aber das Thema schmeckt nach wie vor bitter…

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