Es hat sich uns eine neue junge deutsche Dirigentin vorgestellt, die mich total überzeugt hat. Joana Mallwitz, dzt. GMD in Nürnberg brachte die Symphoniker zum klingen. Das Orchester ist dzt. wirklich grandios. Das Siegfried-Idyll (zum 100. Mal im Konzerthaus) habe ich allerdings zum ersten Mal im Konzert gehört. Nach der Pauser ein fulminanter 1. Akt Walküre. Diesmal mit Stephen Gould als Siegmund. Jennifer Holloway sang sehr schön, ihre Timbre gefiel mir nicht wirklich. Hans-Peter König war ein luxuriöser Hunding!
Großer Jubel!!
Interpreten
Wiener Symphoniker
Jennifer Holloway,
Sieglinde
Stephen Gould,
Siegmund
Hans-Peter König,
Hunding
Joana Mallwitz,
Dirigentin
Programm
Richard Wagner
Siegfried-Idyll (1870)
***
Die Walküre (Erster Aufzug) (1852–1856)
Dr. Klaus Billand für den online-Merker:
WIEN/Konzerthaus: Zyklus Musik im Gespräch 3. Konzert (R. Wagner) am 4. November 2019
Der Abend des Stephen Gould!
Zunächst sprach an diesem Abend unter dem Titel
„Mythisches Erzählen und Musik“ Laurenz Lütteken mit Erwin Barta über
das Musikdrama Richard Wagners – daher der Titel des Zyklus der Wiener
Symphoniker,
Ehrenmitglied der Wiener Konzerthaugesellschaft. Unter der musikalischen Leitung von
Joana Mallwitz
begann der Abend im Großen Saal mit Richard Wagners „Siegfried-Idyll“
welches er zum 33. Geburtstag seiner Frau Cosima am 25. Dezember 1870 in
kammermusikalischer Besetzung im Treppenhaus ihres Hauses in Tribschen
nahe Luzern uraufführte, dessen Miete damals König Ludwig II bezahlen
ließ. Man ist bei dieser herrlichen Musik, die Mallwitz mit den
Symphonikern fein ziseliert und mit starker lyrischer Komponente
musizierte, sofort im „Ring des Nibelungen“, im „Siegfried“ also, denn
diese Partitur stand sicher noch unter dem Einfluss der Freude über die
Geburt des einzigen Sohnes Richard und Cosima Wagners in Tribschen
eineinhalb Jahre zuvor.
Dann aber wurde es musikalisch ernst, denn der 1. Aufzug der
„Walküre“ stand auf dem Programm, der wohl emotionalste Aufzug im ganzen
„Ring“. Die angsterfüllte Flucht Siegmunds vor seinen schwer
bewaffneten Verfolgern durch den finsteren Wald, sein Einfall in die
Hütte eines führenden Vertreters dieser Feindessippe und das dortige
Wiederfinden seiner Schwester, die von diesem gewaltsam „geehelicht“
wurde, ist fast schon ein Musikdrama für sich und deshalb konzertant mit
Notenpulten vor den Sängern nur mit größter Liebe zum Oeuvre des
Bayreuther Meisters zu genießen. Wenngleich sich heute mit oft großem
Erfolg die Aufführungsstile „halbkonzertant“ und vor allem
„halbszenisch“ durchgesetzt haben und auch kleineren Häusern die
Aufführung der Musikdramen Wagners ermöglichen, möchte man doch auch bei
einer rein konzertanten Darbietung, und zumal des 1. Aufzugs der
„Walküre“, etwas Emotion in Bewegung und Mimik der Sänger erleben
wollen.
Stephen Gould, Jennifer Holloway.
Foto: Klaus Billand
Wie man das auch im Frack machen kann, hat gestern Abend nur
Stephen Gould
mit seiner Interpretation des Siegmund vorgeführt. Dieser
Ausnahmesänger des schweren Fachs schien gestern stimmlich sogar noch
über sich hinaus zu wachsen und begeisterte mit seinem in allen Lagen
hundertprozentig ansprechenden Heldentenor, der mit der ursprünglich
baritonalen Herkunft des Sängers gerade der tieferen Lage des Siegmund
entgegenkommt. Da war einfach alles zu hören, was man von diesem
Getriebenen nach Wagners Tonsetzung hören möchte. Herrliche Lyrik in den
Winterstürmen, volle Attacke beim Wälsungenblut, das er zudem noch sehr
lang halten konnte, eine volle und facettenreiche Mittellage seiner
weiterhin frisch klingenden Stimme mit stets großer Ausdruckskraft und
unverkennbarem Gould-Timbre. Wien kann sich glücklich schätzen, dass
dieser Sänger, der ja auch den „Götterdämmerung“-Siegfried im neuen
„Ring“ 2020 in Bayreuth singen wird, die Stadt weiterhin mit seinen
Auftritten beglückt. Man kann nur hoffen, dass auch die neue
Staatsopern-Administration ihm viele Auftritte im Haus am Ring, vor
allem mit Wagner und Richard Strauss, ermöglichen wird. Für mich ist
Stephen Gould weiterhin der beste Siegfried, Siegmund, Tristan und wohl
auch Parsifal unserer Tage. Und solche Kaliber gehören an die Wiener
Staatsoper.
Joana Mallwitz, Jennifer Holloway. Foto: Klaus Billand
Mit passender Mimik schaute Gould immer wieder zur neben ihm stehenden Sieglinde, die von
Jennifer Holloway
gesungen wird, hinüber, um auch darstellerisch wenigstens etwas Aktion
in diese konzertante Aufführung zu bringen. Diese doch gerade im
Verhältnis zwischen Siegmund und Sieglinde so bedeutende Interaktion,
wenigstens mit Blicken und entsprechendem Gesichtsausdruck, vielleicht
auch der einen oder anderen Bewegung, blieb bei der US-Amerikanerin
jedoch meist unbeantwortet. Sie war nahezu ausschließlich mit ihrem
Gesang beschäftigt. Der war für eine Sieglinde im Prinzip ausreichend,
ein gut geführter Sopran mit ansprechenden Höhen, auch wenn man letzte
vokale Emphase vermisste. Wie gut hätte an diesem Abend eine Leonie
Rysanek an die Seite von Stephen Gould gepasst! Sie hätte die Glut und
Emphase der Sieglinde bei der Wiedererkennung ihres Bruders auch
konzertant voll realisiert. Dabei erinnere ich mich an die halbszensiche
„Walküre“ im Januar in Abu Dhabi, die im Grunde konzertant war, weil
den Sängern jegliche emotionale Regung untersagt wurde (diese sollte von
einem Stummfilm hinter dem Orchester kommen), und bei der Egils Silins
als Wotan und Catherine Foster als Brünnhilde eine so intensive
Interaktion zeigten, dass man eine Szene kaum noch vermisste.
Mangelndes mimisches Engagement, bezogen auf die düstere Boshaftigkeit und Gegnerschaft zu Siegmund, vermisste man bei
Hans-Peter König
als Hunding noch mehr. Der Deutsche verfügt fraglos über einen
beeindruckenden Bass, ist sicher einer der größten Bassisten unserer
Zeit, und war damit auch an Häusern wie der Met, Bayreuth und anderen im
Wagner-Fach schon als Hunding, Fafner und Hagen eingesetzt. Allein, es
fehlt König jegliches schauspielerisches Engagement. Er singt seinen
Part stimmlich beeindruckend herunter, fast wie ein Komtur, würdigt
Siegmund und Sieglinde keines Blickes und schon gar nicht eines zu
seiner jeweiligen Aussage passenden Gesichtsausdrucks. Er wirkte damit
gestern Abend dramaturgisch wie ein Fremdkörper in dem Terzett.
Joana Mallwitz dirigierte die
Wiener Symphoniker
mit viel Verve und intensiver Bewegung auf dem Dirigentenpodest gleich
schon zu Beginn des dramatischen Vorspiels und suchte stets engen
Kontakt zu den einzelnen Instrumentengruppen und Musikern, mit einem
Schwerpunkt bei den Bläsern. Es war ein musikalisch guter 1. Aufzug,
wenngleich manches noch zu glatt und kühl klang und mehr – vielleicht
auch etwas zügellose – Emotion und Wärme wünschenswert gewesen wären.
Aber das kann ja noch kommen. Heute Abend gibt es eine Wiederholung.
Klaus Billand

Stephen Gould in der Garderobe. Foto: Klaus Billand