Sonntag, 23. Juli 2023

Jedermann - Generalprobe, 20. Juli 2023, Salzburg

Wieder eine ganz andere Inszenierung - viel nachdenklicher und ganz weit weg von Reinhardt - sehr gut hat sie uns gefallen. Besonders  Michael Maertens war großartig sowie Kreibich als Schuldknecht und vor allem als Mammon! Die Vettern waren zuviel Kalamauk, Pachner sowohl als Buhlschaft als auch als Tod super. Die Klimaaktivisten passen ganz gut, vor allem kamen sie ja auch in die Premiere, wo sie eigentlich fast mitspielten! Auch Nicole Heesters ist mir aufgefallen.

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Wie bestellt fügte sich eine Protestaktion in die Premiere des „Jedermann“ im Großen Festspielhaus: Michael Sturminger will ein Endzeitdrama inszenieren, zu dem Hofmannsthals Text allerdings nicht wirklich passt. Michael Maertens überzeugt dennoch als ermatteter Reicher, Anja Plaschg als Glaube bringt Tiefe ins Spiel, Sarah Viktoria Frick als Teufel bübischen Witz.

„Wir sind die letzte Generation!“ „Wir alle sind die letzte Generation!“ Diese Slogans riefen zugleich an mehreren Plätzen des Saals junge Menschen, indem sie aufsprangen. Schnell wurden sie von ebenso gut über das Große Festspielhaus verteilten Ordnern abgeführt. Diese Szene spielte sich just ab, während auf der Bühne das dekadente Fest Jedermanns begann, indem die fantasievoll gewandeten Gäste sich zu diesem und seiner Buhlschaft gesellten. Perfektes Timing. Perfekt getaktete Einlage. Kaum jemand im Publikum kam auf die Idee, dass sie nicht zur Aufführung gehörte, so gut passte sie.Dieser Szene entsprach auch im Inszenierungsstil gut eine andere Szene, die ebenso blitzschnell abgelaufen war, während der Tod am Plafond der Bühne seinen ersten Auftritt hatte: Ein junger Mensch schüttete hastig Farbe auf die Wand von Jedermanns Haus. Doch diese Aktion gehörte sehr wohl zur Regiearbeit von Michael Sturminger. Er hatte sich offenbar dasselbe gedacht wie die echten Kurzzeit-Demonstranten: In eine aktuelle „Jedermann“-Aufführung gehört eine Szene mit Klima-Protestierern. „Vor dem Dom liegt ein von der Sonne verbrannter Endzeitgarten“, mit diesem Satz beginnt auch die im Programmheft abgedruckte Stückbeschreibung von Dramaturgin Alexandra Althoff, Titel: „Wir dürfen nicht weitermachen wie bisher“.

So wirkte die Protestaktion völlig wie ein integrer Teil der Aufführung, die Regie könnte sich ernsthaft überlegen, sie offiziell aufzunehmen und fortan bei allen „Jedermann“-Aufführungen ablaufen zu lassen. Fragt sich nur: Wären/sind die „Bürger:innen der letzten Generation“, wie sie sich im Bekennerschreiben nennen, dazu bereit? Oder müssten sie damit befürchten, als Teil des Theaters erkannt zu werden und an aufrüttelnder Wirkung zu verlieren? Böse gefragt: Ist das nicht bereits eingetroffen? Diese Art des Protesttheaters mag in nicht theatralischem Zusammenhang, etwa im Straßenverkehr, noch störend wirken, „aufrüttelnd“ wirkt sie aber wohl ebenso wenig wie die ebenso grellen Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen. Man hat sich daran gewöhnt.

Ähnlich übrigens wie das Theaterpublikum an die Kernaussage des „Jedermann“: Der reiche Prasser muss zwar gut eine Stunde bangen, wird aber endlich doch erlöst. Dafür sorgt bekanntlich, neben den effektvoll schwächelnden Guten Werken – nun dargestellt durch eine ganze Truppe am Boden kriechender, weiß verhüllter Gestalten -, der Glaube. Ihn spielt in Sturmingers dritter „Jedermann“-Inszenierung die zu Recht berühmte Musikerin Anja Plaschg, und sie bringt einen guten Teil des Ernstes ins Spiel, den dieses Stück auch braucht. In nonnenhaftem Habitus, mit mönchisch kahlem Kopf und rundem Bauch, furchtbar und fruchtbar, eisig und gnädig zugleich, tritt sie schon zu Beginn als Spielansagerin auf den Plan, singt auch mit der von ihren Auftritten und Aufnahmen als Soap & Skin bekannten, engelhaft reinen Stimme (wobei man den Text leider schlecht versteht). Dieser Glaube kennt keinen Spaß, nur die reine Lehre. Und wenn er sich am Ende mit den Worten „Kein Weg!“ dem Teufel in den Weg stellt, hält sie das „e“ ehrfürchtig lange aus.

Der Teufel spielt mit seinem Penis

Wie ihr Widerpart wirkt Sarah Viktoria Frick, die erst Gott spielt, wobei sie nicht, wie Hofmannsthal vorschrieb, auf dem Thron sitzt, sondern auf dem Boden liegt, offenbar ermattet von all dem sündhaften Irrwitz, der sich auf der Erde zuträgt respektive auf der Bühne, die, bedeckt von einem unsauberem, stark gewellten Teppich, ziemlich unwirtlich wirkt. Viel munterer ist sie dann als Teufel, der erst geistlichen Ornat und ein Kreuz trägt, dann beides fallen lässt und Hörner sowie einen Penis enthüllt, mit dem sie/er in Bubenart nervös spielt. Kein Fürst dieser Welt, sondern eine gefoppte Witzfigur, der der Glaube in einer rührenden Szene mitleidig über den Kopf streichelt.






LEADING TEAM
    
BESETZUNG


ENSEMBLES
  • Ensemble 021 
  • Joanna Lewis Violine
  • Barbara Erdner Bratsche
  • Ana Percevic Violoncello
  • Gernot Haslauer Kontrabass
  • Philipp Schiepek Gitarre
  • Christian Kronreif Bassklarinette
  • Lorenz Widauer Trompete
  • Robert Kainar Perkussion
  • Hannes Löschel Keyboard 

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