Sonntag, 16. April 2023

Die Zauberflöte, 16. April 2023, Kasino - Burgtheater

 EIn ausgesprochen amüsanter Abend, ein moderne Nacherzählung der Zauberflöte mit singenden Schauspielern


Renate Wagner:

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Fotos: Burgtheater / c_Marcella_Ruiz_Cruz

WIEN / Kasino des Burgtheaters: 
DIE ZAUBERFLÖTE
„The opera but not the opera“
Nils Strunk und Lukas Schrenk nach Wolfgang Amadeus Mozart und Emanuel Schikaneder
Premiere: 6. April 2023  

Es war nicht gerade eine typische Gründonnerstags- bzw. feierliche Oster-Premiere. Diese „Zauberflöte“, die derzeit im Kasino des Burgtheaters geboten wird, hätte besser in den Fasching gepasst. Aber sie wird, ungeachtet des Datums, ihren Weg direkt zum Publikum machen. Denn Schauspieler / Musiker / Regisseur Nils Strunk (der auch noch inszeniert) hat gemeinsam mit Lukas Schrenk eine wirklich witzige, respektlose „Pawlatschen“-Musical-Version von Mozarts Meisterwerk auf die Bühne gebracht, die in pausenlosen zwei Stunden nur gelegentlich durchhängt.

Der conferierende Theaterdirektor, der vor das Publikum tritt, könnte vielleicht ein paar einführende Worte mehr über die Umstände der Aufführung finden. Das Programmheft erklärt: „Eine fahrende Schauspieltruppe unter der Leitung des Wiener Zauberkünstlers Kratky-Baschik führt ihre ganz eigene Version von Mozarts ZAUBERFLÖTE auf“, aber das bekommt man ohnedies schnell mit. Pawlatsche, Kostüme wie bei Direktor Striese und die Bearbeitung wohl auch – diese deutsche Schwank-Mentalität wirkt durch die freche Selbstverständlichkeit, mit der die  Schmiere triumphiert, immer.

Und es ist mehr oder minder die Handlung der „Zauberflöte“, die man erlebt, wenn auch notwendigerweise wüst zusammen gestrichen. Schon die Ouvertüre, die a capella gesungen wird (!), ist ein Gustostück. Dann übernehmen drei Musiker unter der Führung von Nils Strunk selbst am Klavier (und singen tut er auch), und da klingt manches plötzlich anders. Wie wäre Mozart als Musical, war wohl die Überlegung. Die Begleitmusik auf dem üblichen kitschigen Sound umgepolt, der Text in simples Englisch übersetzt, die Sänger im Musical-Belten-Modus – und schon könnte Mozart auf jeder Bühne der Welt Andrew-Lloyd-Webber-Erfolge feiern (denn keinem der Routine-Schreiber, die heute angebliche „Musicals“ machen, die gleich wieder vergessen werden, fällt etwas Ähnliches ein): „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ aus „Song“ – das funktioniert.

Und da wird auch vieles andere verändert – eine verliebte „Dame“ beginnt angesichts von Tamino „Blue Moon“ zu singen (auch anderes Populäre wird gelegentlich hineingemixt) , Papageno tritt mit „I am the Bird Man“ zu ganz eigenen Tönen auf, und es ist erstaunlich, wie man Mozart verpopen und verrocken kann, ohne dass man als Liebhaber des Originals böse wird. Weil Amadeus immer stärker ist als alles, was man mit ihm macht.

Handlungsmäßig verläuft die längste Zeit mit geringen Mitteln und vollem Einsatz der Interpreten alles lustig, allerdings wird ja auch die „Zauberflöte“ im zweiten Teil schwächer, und da fehlen dann von Zeit zu Zeit die Ideen. Gut, Tamino und Pamina ohrfeigen sich, na ja, Mutter und Tochter zoffen, das sieht man ein, und am Ende ist der Autor dann ganz witzig, wenn er, nicht als Erster, einiges in dieser Oper in Frage stellt. Da wollen Tamino und Pamina auf Sonnenkreis und das andere Brimborium  verzichten und ein ganz normales Leben leben (man kann es ihnen nachfühlen). Ja, und Sarastro und die Königin der Nacht – die erweisen sich als ehemaliges Liebespaar (mit Pamina als seiner Tochter), und das ganze Durcheinander entstand nur durch die Rache des gehörnten Ehemanns… Offenbar mögen sich die beiden noch immer, und wenn Sarastro „Contessa, perdono“ singt, ist es zwar die falsche Oper, aber der richtige Komponist und ein sehr witziges Ende.

Eingedampft auf sechs Personen, ist das eine wahre Herausforderung an die Interpreten, aber sie haben ihren Autor gefunden und leisten Prächtiges – und alle können ausreichend singen für das, was Strunk ihnen zumutet. Die drei Damen der Besetzung sind sowieso mehrfach gefordert, denn die verwandeln sich von den „drei Damen“ – zickig, eifersüchtig, wie es sich gehört – in drei Hauptprotagonisten (-innen): Lilith Häßle in eine durchaus störrische Pamina, Annamária Láng in einen tückischen Monostatos, und Katharina Pichler schießt als urkomische Königin der Nacht überhaupt den Vogel ab – allein wie sie die Koloraturen umschifft, ist schon ein Meisterstückchen, und wie sie die Wut ihrer Arien komisch deklamiert, desgleichen.

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Tim Werths, der parallel im Burgtheater als Raimunds Phantasie tänzeln muss, ist um einiges überzeugender als Theaterdirektor und gar nicht niedlicher Papageno. Gunther Eckes könnte man in keinem Opernhaus als edlen Prinzen besetzen, aber ein Striese nimmt, was er hat. Und Wolfram Rupperti lässt als Sarastro einige erstaunliche Basstöne hören und ist alles andere als der edle Mann der Oper… Jeder passt perfekt in das Konzept, das hier realisiert wird.

Mozart hat schon vieles überlebt, auch einige wirklich idiotische Inszenierungen. Da ist diese fröhliche, respektlose, aber nie abwertende Musical-Schmieren-Version  geradezu eine Huldigung.

Renate Wagner

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