Hier reposte ich nur aus dem Neuen Merker Online:
Meine Frau stimmt mit der Kritik überein, ich bin ein bisserl kritischer.
Insgesamt eine schöne Produktion!
„Der Oster-Ring“
Der vorletzte Komplettdurchlauf der Tetralogie in der Inszenierung
von Uwe Eric Laufenberg am Landestheater Linz/ Musiktheater am Volksgarten – 31.
März, 2., 5. und 8. April 2015
v.
l. n. r. beim Schlussapplaus der Götterdämmerung) zu sehen: Chang, Kutzarova,
Griesmeier, Braun-Tietje, Clevemann, Gornik, Pesendorfer, Nebera. Foto:
H&PHuber
Wir haben die Drohung von Intendant Rainer Mennicken bei der Premierenfeier
der Götterdämmerung vernommen: es ist anzunehmen, daß sich das Haus erst wieder
in 10 – 15 Jahren das Wagner’sche Großunternehmen leisten wird können. Die
letzten Aufführungen von Siegfried und Götterdämmerung wurden mit
Wiederaufnahmen der ersten beiden Opern aus der Vorsaison so programmiert, daß
noch drei komplette Zyklen entstanden, die dann auch als Kurzabonnements
aufgelegt wurden; nur eine Extra-Götterdämmerung (am 25. April) wird es noch
außerhalb davon geben. Also haben wir uns den ganzen Ring, nun innerhalb von 8
Tagen, noch einmal gegeben.
Der bei uns von den Premieren oder premierennahen Abenden her rührende
Eindruck der Stärken und Schwächen der Inszenierung, die sich in der Verortung
von einem Nomadenzeitalter bis in die vielleicht nahe Zukunft erstreckt, bleibt
bestehen: Das Rheingold erscheint stringent und im wesentlich logisch gut
durchdacht, die Walküre zeigt neben einem dramatischen ersten Akt gute
Personenführung auch in den Szenen zwischen Wotan und Fricka bzw. Wotan und
Brünnhilde, und als theatralischen Höhepunkt den makaber-unterhaltsam, gänzlich
unheldisch inszenierten „Ritt“. Der Siegfried wirkt im ersten Akt dicht, nicht
zuletzt durch den vorzüglichen Mime. Der Kampf mit dem Drachen wird aber
verschenkt und durch unsinniges Beiwerk gestört; auch der dritte Akt zieht sich
szenisch – nicht zuletzt, da Siegfried nicht einen Berg erklimmen muss, sondern
nur einige Zeit auf einer vermüllten Ebene um die verwunschene Brünnhilde
herumtapert; auch die am ersten Hauptabend eindrucksvolle Feuerwand ist deutlich
verkommen und erweckt nicht den Eindruck, dass sie nur ein unbekümmerter Held
durchbrechen könnte. Die Götterdämmerung wiederum ist sehr abgerundet und
spannend gestaltet – nur der erste Akt würde sich etwas ziehen, wären da nicht
die faszinierende Musik und eine starke Waltraute.
Die Besetzung erfolgte zu großen Teilen aus dem Ensemble, Gäste sind mit (G)
markiert.
Die Rheintöchter (Claudia Braun-Tietje, Gotho
Griesmeier, Valentina Kutzarova) kommen sowohl am
Vorabend als auch in der Götterdämmerung stimmlich und darstellerisch vorzüglich
zur Geltung. Bjørn Waag (G) ist ein stimmlich
durchschlagskräftiger (merklich besser als im Herbst 2013), mitunter – als
Hagens Alb-Traum – auch zur Lyrik fähiger und darstellerisch differenzierter,
textdeutlicher Alberich.
Karen Robertson scheint in der Vorsaison ein Stimmproblem
gehabt zu haben, das sie aber überwunden hat; jetzt schafft sie die Fricka mit
kräftigem, nur wenig – und durchaus rollengemäß – metallisch unterlegtem Organ,
und die gemäß Wagners Text nicht grundlose Bißgurn ist bei ihr auch
schauspielerisch inklusive Artikulation gut aufgehoben. Der Wotan/Wanderer
Gerd Grochowski (G) ist ein exakter und ausdrucksstarker
Schauspieler, der seine fundierte Stimme mit noblem dunkelmetalligem timbre
strömen läßt, dabei rollengemäß auch etwas müde und resigniert zu wirken
versteht (freilich in Walküre und Siegfried sein gewaltiges Pensum ohne reale
Ermüdung durchsteht); an wenigen Stellen (Einzug nach Walhall) wäre noch eine
Kleinigkeit mehr Kraft zu wünschen, aber Herr Grochowski widersteht hier der
Versuchung, über seine ohnedies guten Möglichkeiten hinaus zu forcieren. Nettes
Detail am Rande: wenn er, als Wanderer mit Kopfbedeckung, den verdienten Applaus
entgegennimmt, verneigt er sich nicht nur, sondern zieht vor dem Publikum (und
dem Orchester) auch den Hut. Brit-Tone Müllertz erfreute uns
als vorzügliche, lyrische und trotzdem kraftvolle Freia.
Michael Bedjai (G) ist ein wendiger und windiger Loge, eher
auf (freilich stimmlich druckvollen) Sprechgesang ausgerichtet; Wagner hat hier
exakt das Portrait eines „modernen Politikers“ entworfen, und Herr Bedjai setzt
das sehr gut um. Zwei Tage später gelingt ihm der Siegmund nicht ganz so
zweifelsfrei – die „Wälse“-Rufe kommen etwas verhalten, manchmal wirkt seine
Stimme leicht belegt. Die Winterstürme läßt er jedoch gelungen lyrisch weichen,
und das Wälsungen-Blut zum Finale des 1. Aktes blüht wirklich: sowohl bezüglich
Lautstärke als auch mit dem gebührenden Schmelz!
Iurie Ciobanu absolviert seine kleine Rolle des Froh mit
sauberem lyrischen Tenor. Donner ist für Seho Chang natürlich
nur das „Warmlaufen“ für den Gunther, den er wie bei der Premiere vorzüglich auf
die Bühne bringt, mit machtvoller Stimme und intensivem Spiel.
Fafner ist Nikolai Galkin mit solidem Bass, dem im Siegfried
durch die Regie ein vorstellbarer eindrücklicherer Auftritt verwehrt wird.
Dominik Nekel, dessen Stimme sich im Laufe der Jahre erfreulich
in Richtung Profundität entwickelt, tritt als vorzüglicher Fasolt auf, mit
merklich mehr Druck als 2013, und gibt auch einen schauspielerisch wie stimmlich
eindrucksvoll „unguten“ Hunding.
Matthäus Schmidlechner wurde als Mime von der Kritik schon
weithin gelobt und hat diese Einschätzung auch diesmal mit perfekter Stimme,
klarster Artikulation und fein differenziertem Schauspiel glänzend bestätigt.
Auch die unheimliche, archaische Erda der dunkel timbrierten Bernadett
Fodor erregt berechtigte Begeisterung beim Publikum.
Sonja Gornik ist eine stimmlich und schauspielerisch
eindrucksvolle Sieglinde; auch inmitten der Urgewalt der
Götterdämmerungs-Partitur steht sie mit ihrem vorzüglich geführten dramatischen
Sopran als Gutrune ihre Frau.
Die Brünnhilde an allen drei Hauptabenden ist Elena Nebera
(G). Von allen Ring-Protagonisten ist sie die am ehesten diskussionsträchtige
Besetzung. Ohne Zweifel ist ihre Stimme tragfähig wie höhensicher und zeigt
nicht einmal in der Götterdämmerung Ermüdungserscheinungen. Wenn es aber in die
tieferen Register geht, vor allem also in der Walküre, ist immer noch (freilich
weniger als bei der Premiere im März 2014) Kehligkeit zu bemerken, die den
Gesamteindruck doch schmälert. Die Diktion läßt ebenfalls, trotz einiger
Verbesserungen, noch zu wünschen übrig. Ihr Vibrato wirkt sowohl in der Walküre
wie auch im Siegfried etwas dick aufgetragen. Letzteres findet sich deutlich
weniger in der Götterdämmerung – insgesamt auch diesmal wieder eindeutig ihre
beste Leistung, da sie auch schauspielerisch eindrucksvoll agiert und merklich
textdeutlicher singt.
Ihre Schwestern werden von den gut bei Stimme befindlichen Damen
Ratzenböck, Braun-Tietje, Griesmeier, Kutzarova, Fodor,
Handsaker, Raginskyté und Savchenko mit großer
Spielfreude gegeben, unterstützt von einer im Programm nicht genannten
stunt-Partnerin mit ihrem prachtvollen (Dunkel)Braunen als repräsentativem
Walkürenpferd.
Der „freie, furchtlose Held“ Siegfried wird vom körperlich nicht unbedingt
den gängigen Heldenklischees entsprechenden Lars
Clevemann (G) dargestellt, wobei aber die Inszenierung darauf
zugeschnitten ist und den Helden, der erst in der „Jetztzeit“ auftaucht, mehr
als im Umgang mit dem Computer (die Formel für Nothung holt er sich aus dem
Netz, und den elektronisch gesicherten Zugang zur Neidhöhle „hackt“ er sich mit
einem tablet auf…) als in dem mit dem Schwert Geübten darstellt. Stimmlich läßt
Herr Clevemann kaum einen Wunsch offen, und er weiß sein gutes Material auch
strategisch richtig einzusetzen, sodass er im Finale des Siegfried die Liebe
wirklich leuchten und den Tod wirklich lachen lassen kann, nach netto rund drei
Stunden auf der Bühne. Gleiches gilt für die Götterdämmerung: eine saubere
Leistung bis zum fatalen Stoß Hagens, auch als Schauspieler.
Waldvögelein Elisabeth Breuer brilliert mit entzückender
Stimme, gekonntem Flötenspiel und passend flatterhafter Darstellung. Die Nornen
bieten ein Wiederhören mit Karen Robertson und
Britt-Tone Müllertz, die erste wird von Bernadett
Fodor ebenso wie dann die Waltraute gesungen.
Albert Pesendorfer (G) schließlich ist ein schauspielerisch
wie sängerisch rabenschwarz abgefeimter und bedrohlicher Hagen – besser
verkörpert wird man die Rolle nicht so schnell sehen und hören können.
Chor & Extrachor des Landestheaters boten wieder, wie
üblich, eine vorzügliche Leistung als Stimm- und als Schauspielensemble.
Dennis Russell Davis leitete alle vier Abende mit Umsicht
und Präzision, ließ den Emotionen der großen Oper ihren Platz und den
Sängerinnen und Sängern genügend Luft. Nachdem verschiedentlich Kritik an zu
langsamen Tempi laut wurde (die wir schon bei den Premieren etc. nicht wirklich
nachvollziehen konnten), haben wir uns noch einmal einige der gängigen Aufnahmen
von Georg Soltis Wiener DECCA-Ring bis hin zur neuen Doppel-CD von Fabio Luisi
mit der Philharmonia Zürich angehört: nein, die Tempi von Davis sind und bleiben
für uns plausibel und liegen auch im direkten Vergleich beileibe nicht im
langsamen Extrem.
Die rund 15 Stunden Nettospielzeit absolvierte das Bruckner
Orchester wieder mit prachtvoller Klangentfaltung (besonders der
Streicher) und Präzision – (kürzeste) „Patzer“ gab es nur sehr selten (am
ehesten merkbar im Siegfried vor der Erweckung Brünnhildes und im ersten
Tuba-Ensemble zu Beginn des Trauermarsches), andererseits wurde schwierigste
Bläser-Stellen wie z. B. die Überleitung von Hagens Traum zur Ankunft der
„Brünnhildenexpedition“ makellos, mit Bravour, absolviert.
Der Applaus erreichte immer wieder Begeisterungsniveau, besonders am Ende der
Götterdämmerung – verdientermaßen, möchten wir resümieren.
H & P Huber
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